12-29-2024, 09:28 PM
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12-29-2024, 09:30 PM von Herr Bert.)
Ist der VfL Bochum auf dem Weg zum nächsten Wunder? Kolumnist Michael Eckardt erklärt, wie Trainer Hecking das Team stabilisiert hat und was Hoffnung auf den Klassenerhalt macht.
Nach dem großen Jubel wähnte man sich allerdings offenbar schon auf einer anderen Ebene, sollte der Bochumer Fußball doch schöner, offensiver, kunstvoller und attraktiver werden. Die Realität sah anders aus. Das komplette Gegenteil war der Fall, wie wir längst wissen. Nichts passte zu Beginn der aktuellen Spielzeit zusammen.
Das Prinzip Hoffnung ist mit dem Namen Dieter Hecking verbunden
Nun regiert wenigstens wieder das Prinzip Hoffnung. Verbunden ist es in erster Linie mit dem Namen von Dieter Hecking. Der bereits dritte Trainer in dieser noch nicht einmal beendeten Hinrunde hat die Bochumer nicht nur zum ersten Sieg geführt, sondern auch zu fünf, möglicherweise sogar sieben Punkten in sechs Spielen.
Auf eine komplette Spielzeit hochgerechnet zu wenig für den Klassenerhalt, verglichen mit dem unterirdischen und ziemlich einsamen Zähler in den neun Ligaspielen vor seinem „Ja“ zum VfL jedoch ein Quantensprung.
Aber was hat Hecking, sicher einer der aktuell erfahrensten Fußballlehrer Deutschlands, konkret gemacht, wie ist er nach dem desolaten Start mit einem völlig verunsicherten Ensemble von desillusionierten Einzelspielern vorgegangen?
Hecking stabilisierte zunächst die oft schwächelnde Defensive
Die ersten Schritte waren keine Geheimwissenschaft. Nach 22 Gegentoren in den letzten fünf Spielen vor seinem Amtsantritt war wohl allen bewusst: Das löcherige Gebilde vor dem Tor muss sich die Bezeichnung Defensive erst einmal, aber möglichst unverzüglich verdienen.
Es hat ein paar Spiele gedauert, bis Bernardo wieder fit war, dann war klar: Heckings bevorzugte Dreierkette steht. Konsequent setzt er seitdem auf die schnellen und eher beweglichen Tim Oermann und Bernardo, die den wuchtigen und physisch starken Ivan Ordets umrahmen.
Schienenspieler stehen nur noch selten im leeren Raum
Alle drei werden seitdem von Spiel zu Spiel sicherer, souveräner und mutiger. Jakov Medic ist in diesem Verbund Nummer vier und damit die erste Alternative. Wenn es eine Führung oder einen Punkt zu verteidigen gilt, rutscht er in der Regel in die Innenverteidigung, während Bernardo dann für Maximilian Wittek den defensiven Flügel besetzt. Das bedeutet auch: mehr Kopfballkompetenz bei Flanken, Freistößen und Eckbällen gegen stürmende und drückende Gegner. Das macht Sinn.
Der Weg zur defensiven Kompaktheit war relativ kurz
Inzwischen stehen Felix Passlack und Maximilian Wittek nämlich nur noch selten im leeren Raum, weit entfernt von Gegner und Ball. Bedeutet: Die Kontrahenten können sich keinen Spaß mehr daraus machen, die Abwehr des VfL nach Belieben über die Flügel auseinander zu nehmen.
Jetzt gibt es bei den Bochumern eine klare Zuordnung und Positionierung. Die Abstände zwischen den Spielern werden kleiner, die Intensität in den Zweikämpfen nimmt zu – in der Summe führt das zu einer Kompaktheit, die unabdingbar ist für den Erfolg.
Der Weg zur defensiven Kompaktheit war relativ kurz, der Pfad zu einer durchschlagskräftigen Offensive ist schwieriger zu beschreiten. Der in den zurückliegenden Jahren alles kontrollierende und regelnde Spielgestalter Kevin Stöger ist nicht mehr verfügbar.
Bero und Sissoko führen den VfL zum Sieg über den 1. FC Heidenheim
Dani de Wit, mit großen Hoffnungen verpflichtet, passt ganz offensichtlich nicht in diese Rolle. Eine Leerstelle, man kann auch sagen, eine klaffende Wunde. Dieter Hecking hat sich also etwas einfallen lassen, um für schnelleres Umschalten und eine bessere Ballzirkulation zu sorgen.
Matus Bero, ohnehin läuferisch in beide Richtungen stark, hat er zentral etwas nach vorne gezogen, teilweise hinter die beiden Stürmer – zumindest beim 2:0-Erfolg gegen Heidenheim mit großem Erfolg.
Das allein hätte vermutlich jedoch nicht gereicht. Weil weder Flügelspieler Gerrit Holtmann noch der gesperrte Dribbler Koji Miyoshi zur Verfügung standen, sollte Ibrahima Sissoko, eigentlich als „Sechser“ geholt, den Gegner mit seinen tiefen Läufen, vorzugsweise über die Flügel, überraschen.
Damit hatten die Heidenheimer, wie erhofft, erkennbar Probleme – am Ende stand nicht nur der erste Saisonsieg, sondern auch der offensiv bislang stärkste Auftritt des VfL in dieser Spielzeit; nur das Ergebnis war etwas zu niedrig ausgefallen.
VfL hat wieder eine Mannschaft, die konkurrenzfähig ist
Was trotz der andauernden Tabellen-Tristesse erkennbar ist: Die Bochumer haben wieder – nach schier unendlichem Anlauf – eine Mannschaft, die konkurrenzfähig ist. Am Teamgeist musste man nicht wirklich zweifeln, aber alle Spieler müssen auf dem Platz wissen, was wann zu tun ist, und sie müssen mit einem großen Selbstverständnis und Optimismus an ihre Aufgaben herangehen.
Dieter Hecking hat das offenbar auch mittels Reduzierung erreicht. Nur 16 Spieler umfasste bei ihm bisher der Kreis der Startelf-Kandidaten, Myron Boadu und vermutlich ein weiterer Stürmer werden im neuen Jahr hinzukommen.
Hecking arbeitet am nächsten Wunder
Mit 22 bis maximal 24 Spielern wird Hecking intensiv arbeiten, um ein erneutes VfL-Wunder zu schaffen. Für etablierte Akteure wie Erhan Masovic und Cristian Gamboa sowie Moritz Kwarteng dürfte es in den kommenden Monaten nicht einfach sein, in den Spieltagskader zu kommen.
Was übrigens auch für Dani de Wit gilt, dem man in puncto Einsatzwillen nichts vorwerfen kann, der aber nach wie vor wie ein Fremdkörper wirkt, wenn er für ein paar Minuten eingewechselt wird.
Aber wer weiß: Vielleicht hat der Niederländer am Ende doch noch einen Anteil daran, dass sich der Marketing-Spruch von 2023 wider alle Wahrscheinlichkeit bewahrheitet: „Gekommen um zu bleiben.“ Es wäre das wohl bizarrste Stück aus dem Bochumer Fußball-Wunderland – und vermutlich das größte Kunststück des Trainer-Routiniers Dieter Hecking.
Quelle: WAZ.de
- Im Sommer 2023 hat der VfL Bochum seine Fans mit einem mutigen Motto beglückt
- Nach drei Klassenerhalts-Parties passte in dieser Saison lange wenig zusammen
- Trainer Dieter Hecking hat zunächst die Defensive stabilisiert
- Nun muss er den Angriff wieder in die Spur bringen
Nach dem großen Jubel wähnte man sich allerdings offenbar schon auf einer anderen Ebene, sollte der Bochumer Fußball doch schöner, offensiver, kunstvoller und attraktiver werden. Die Realität sah anders aus. Das komplette Gegenteil war der Fall, wie wir längst wissen. Nichts passte zu Beginn der aktuellen Spielzeit zusammen.
Das Prinzip Hoffnung ist mit dem Namen Dieter Hecking verbunden
Nun regiert wenigstens wieder das Prinzip Hoffnung. Verbunden ist es in erster Linie mit dem Namen von Dieter Hecking. Der bereits dritte Trainer in dieser noch nicht einmal beendeten Hinrunde hat die Bochumer nicht nur zum ersten Sieg geführt, sondern auch zu fünf, möglicherweise sogar sieben Punkten in sechs Spielen.
Auf eine komplette Spielzeit hochgerechnet zu wenig für den Klassenerhalt, verglichen mit dem unterirdischen und ziemlich einsamen Zähler in den neun Ligaspielen vor seinem „Ja“ zum VfL jedoch ein Quantensprung.
Aber was hat Hecking, sicher einer der aktuell erfahrensten Fußballlehrer Deutschlands, konkret gemacht, wie ist er nach dem desolaten Start mit einem völlig verunsicherten Ensemble von desillusionierten Einzelspielern vorgegangen?
Hecking stabilisierte zunächst die oft schwächelnde Defensive
Die ersten Schritte waren keine Geheimwissenschaft. Nach 22 Gegentoren in den letzten fünf Spielen vor seinem Amtsantritt war wohl allen bewusst: Das löcherige Gebilde vor dem Tor muss sich die Bezeichnung Defensive erst einmal, aber möglichst unverzüglich verdienen.
Es hat ein paar Spiele gedauert, bis Bernardo wieder fit war, dann war klar: Heckings bevorzugte Dreierkette steht. Konsequent setzt er seitdem auf die schnellen und eher beweglichen Tim Oermann und Bernardo, die den wuchtigen und physisch starken Ivan Ordets umrahmen.
Schienenspieler stehen nur noch selten im leeren Raum
Alle drei werden seitdem von Spiel zu Spiel sicherer, souveräner und mutiger. Jakov Medic ist in diesem Verbund Nummer vier und damit die erste Alternative. Wenn es eine Führung oder einen Punkt zu verteidigen gilt, rutscht er in der Regel in die Innenverteidigung, während Bernardo dann für Maximilian Wittek den defensiven Flügel besetzt. Das bedeutet auch: mehr Kopfballkompetenz bei Flanken, Freistößen und Eckbällen gegen stürmende und drückende Gegner. Das macht Sinn.
Der Weg zur defensiven Kompaktheit war relativ kurz
Inzwischen stehen Felix Passlack und Maximilian Wittek nämlich nur noch selten im leeren Raum, weit entfernt von Gegner und Ball. Bedeutet: Die Kontrahenten können sich keinen Spaß mehr daraus machen, die Abwehr des VfL nach Belieben über die Flügel auseinander zu nehmen.
Jetzt gibt es bei den Bochumern eine klare Zuordnung und Positionierung. Die Abstände zwischen den Spielern werden kleiner, die Intensität in den Zweikämpfen nimmt zu – in der Summe führt das zu einer Kompaktheit, die unabdingbar ist für den Erfolg.
Der Weg zur defensiven Kompaktheit war relativ kurz, der Pfad zu einer durchschlagskräftigen Offensive ist schwieriger zu beschreiten. Der in den zurückliegenden Jahren alles kontrollierende und regelnde Spielgestalter Kevin Stöger ist nicht mehr verfügbar.
Bero und Sissoko führen den VfL zum Sieg über den 1. FC Heidenheim
Dani de Wit, mit großen Hoffnungen verpflichtet, passt ganz offensichtlich nicht in diese Rolle. Eine Leerstelle, man kann auch sagen, eine klaffende Wunde. Dieter Hecking hat sich also etwas einfallen lassen, um für schnelleres Umschalten und eine bessere Ballzirkulation zu sorgen.
Matus Bero, ohnehin läuferisch in beide Richtungen stark, hat er zentral etwas nach vorne gezogen, teilweise hinter die beiden Stürmer – zumindest beim 2:0-Erfolg gegen Heidenheim mit großem Erfolg.
Das allein hätte vermutlich jedoch nicht gereicht. Weil weder Flügelspieler Gerrit Holtmann noch der gesperrte Dribbler Koji Miyoshi zur Verfügung standen, sollte Ibrahima Sissoko, eigentlich als „Sechser“ geholt, den Gegner mit seinen tiefen Läufen, vorzugsweise über die Flügel, überraschen.
Damit hatten die Heidenheimer, wie erhofft, erkennbar Probleme – am Ende stand nicht nur der erste Saisonsieg, sondern auch der offensiv bislang stärkste Auftritt des VfL in dieser Spielzeit; nur das Ergebnis war etwas zu niedrig ausgefallen.
VfL hat wieder eine Mannschaft, die konkurrenzfähig ist
Was trotz der andauernden Tabellen-Tristesse erkennbar ist: Die Bochumer haben wieder – nach schier unendlichem Anlauf – eine Mannschaft, die konkurrenzfähig ist. Am Teamgeist musste man nicht wirklich zweifeln, aber alle Spieler müssen auf dem Platz wissen, was wann zu tun ist, und sie müssen mit einem großen Selbstverständnis und Optimismus an ihre Aufgaben herangehen.
Dieter Hecking hat das offenbar auch mittels Reduzierung erreicht. Nur 16 Spieler umfasste bei ihm bisher der Kreis der Startelf-Kandidaten, Myron Boadu und vermutlich ein weiterer Stürmer werden im neuen Jahr hinzukommen.
Hecking arbeitet am nächsten Wunder
Mit 22 bis maximal 24 Spielern wird Hecking intensiv arbeiten, um ein erneutes VfL-Wunder zu schaffen. Für etablierte Akteure wie Erhan Masovic und Cristian Gamboa sowie Moritz Kwarteng dürfte es in den kommenden Monaten nicht einfach sein, in den Spieltagskader zu kommen.
Was übrigens auch für Dani de Wit gilt, dem man in puncto Einsatzwillen nichts vorwerfen kann, der aber nach wie vor wie ein Fremdkörper wirkt, wenn er für ein paar Minuten eingewechselt wird.
Aber wer weiß: Vielleicht hat der Niederländer am Ende doch noch einen Anteil daran, dass sich der Marketing-Spruch von 2023 wider alle Wahrscheinlichkeit bewahrheitet: „Gekommen um zu bleiben.“ Es wäre das wohl bizarrste Stück aus dem Bochumer Fußball-Wunderland – und vermutlich das größte Kunststück des Trainer-Routiniers Dieter Hecking.
Quelle: WAZ.de
Tradition ist nicht die Aufbewahrung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers
" Der VfL kommt von der Castroper Strasse, und hier soll er auch bleiben."