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Luthe über die Zukunft des VfL Bochum
#1
Vom Praktikanten zum Vorstandschef: Andreas Luthe hat sich beim VfL Bochum über zwei Jahrzehnte verdient gemacht. Im großen Interview spricht der 38-Jährige über seinen persönlichen Lebensweg, die finanziellen Folgen des Bochumer Abstiegs und wie er den VfL wieder auf Vordermann bringen will. 

Zusammengerechnet war Andreas Luthe (38) mehr als 15 Jahre lang für den VfL Bochum im Einsatz. Seit Ende Juni dieses Jahres ist der ehemalige Bundesliga-Torhüter nun Vorstandsvorsitzender bei "seinem Verein" - und hat viel vor. 

Herr Luthe, vor etwas mehr als einem Jahr standen Sie noch als Bochumer Relegationsheld mit Freudentränen in den Augen im Düsseldorfer Stadion. Wie war das Gefühl, nun machtlos von außen bei der Abwärtsspirale zusehen zu müssen und nicht eingreifen zu können?
Ich war als Sechsjähriger zum ersten Mal im Bochumer Stadion und habe dort dann quasi mein halbes Leben verbracht, um zu guter Letzt dieses perfekte Karriereende miterleben zu können. Der Abstieg war insofern schon hart und hat mich emotional getroffen. Doch gleichzeitig hat er mich auch nicht sonderlich überrascht. Ich bin Realist genug, zu wissen, dass es den VfL Bochum mit seinen begrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten jederzeit erwischen kann.

Seit Ende Juni sind Sie mit nicht einmal 40 Jahren Vorstandsvorsitzender des VfL Bochum. Offensichtlich haben Sie anders als die überwiegende Mehrheit der Ex-Profis keinen längeren Abstand vom Fußballzirkus gebraucht …
… das habe ich vor einigen Monaten selbst noch nicht kommen sehen. Doch sowohl die Aufspaltung des Präsidiums Ende vergangenen Jahres als auch der zu dem Zeitpunkt bereits drohende Abstieg haben mich zur Überzeugung gebracht, mich zu engagieren. 

Was treibt Sie neben der Liebe zum VfL an?
Ich bin einerseits sportpolitisch interessiert. Zum anderen ist es mir auch als Spieler immer schon schwergefallen, Dinge ungeprüft abzunicken und vermeintlich Gegebenes einfach für wahr zu nehmen. Ich habe einen inneren Antrieb, Strukturen und Abläufe im Team gut durchdacht zu verbessern. Ein Engagement im Aufsichtsrat oder Präsidium ist daher für mich persönlich ein passendes Umfeld. 

Sie haben während Ihrer aktiven Karriere Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie studiert und beraten Unternehmen als Experte für Fokus und Krisenstabilität. Steckt der VfL Bochum nach dem Abstieg in einer Krise oder fehlt dem Klub nur hier und da der Fokus?
Das ist eine Frage der Definition. Fakt ist: Der VfL Bochum wurde im ersten Halbjahr 2025 durch den Abstieg und die außerordentlichen Präsidiumswahlen kräftig durchgeschüttelt. Man kann das in gewisser Hinsicht schon als Krise bezeichnen. Denn wir sind in einer Situation, in der die Zukunft nicht mehr so ablaufen kann, wie wir es aus den vergangenen Jahren kennen. 

Wie konnte es so weit kommen?
Nicht nur im Profifußball sehen wir das Problem, dass wir uns in positiven Zeiten selten darüber Gedanken machen, wie es wird, wenn es mal ordentlich ruckelt. Da sind wir als Menschen recht blauäugig unterwegs nach dem Motto "Wenn es uns gut geht, dann lehnen wir uns zurück". Mit dieser Perspektive kann ich allerdings so gar nichts anfangen. Ich finde es sinnvoller, zwei bis drei Schritte vorauszudenken, um vorbereitet auf Negativspiralen zu sein. 

Was hilft Ihnen als Vorstandschef mehr: die Fußballkompetenz und der Stallgeruch eines Ex-Profis oder die Fähigkeiten, die Sie abseits des Platzes erworben haben?
Am Ende ist es eine Kombination. Der wichtigste Baustein ist meine Bochum-DNA und damit einhergehend das Verständnis für die verschiedenen Persönlichkeiten und Rollen beim VfL. Der VfL ist ein sehr regional geprägter Verein. Es gibt kaum einen Menschen im Klub, den ich nicht persönlich kenne oder mit dem ich nicht schon mehrere Jahre persönlich zusammengearbeitet habe. Hinzu kommen eine gewisse sportliche Expertise und meine berufliche Komponente mit dem Wissen, wie Teams und Organisationen entwickelt werden können. Letzteres möchte ich aber klar trennen. 

Inwiefern?
Mein beruflicher Hintergrund als Unternehmensberater hat nichts mit meiner Aufgabe beim VfL Bochum zu tun und ich achte auch sehr penibel darauf, dass ich beides voneinander trenne. Meine Mitstreiter und ich wurden von den Mitgliedern als Kontrollinstanz gewählt, sprich: Ich kann und werde der Geschäftsführung zwar Denkanstöße und Impulse geben, aber es ist nicht meine Aufgabe, operativ ins Tagesgeschäft einzugreifen. 

Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, sich nach der aktiven Karriere gänzlich aus dem Profifußball zurückzuziehen und sich stattdessen auf Ihre Aufgaben in der freien Wirtschaft zu fokussieren?
Rein beruflich habe ich mich ja im Prinzip aus dem Profigeschäft verabschiedet. Der Vorstandsposten beim VfL Bochum ist für mich kein Beruf, sondern im wahrsten Sinne des Wortes eine Berufung - nämlich durch die Mitglieder. 

Schon im Laufe Ihrer Karriere haben Sie sich unter anderem in der Spielergewerkschaft VDV und in der DFL-Taskforce "Zukunft Profifußball" engagiert. Wann haben Sie gemerkt, dass Ihnen der persönliche sportliche Teil des Profigeschäfts allein nicht genug ist?
Sehr früh. Man kann im Profifußball wunderbar mit Scheuklappen durch die Welt laufen, das funktioniert hervorragend. Spricht allerdings so ziemlich gegen alles, was mich persönlich antreibt. Ich liebe den Diskurs. Für einige Menschen war es dadurch im Laufe der Jahre ganz sicher auch manchmal anstrengend mit mir. Das ist mir klar. 

Was raten Sie jungen Profis für ihren persönlichen Lebensweg?
Gerade wenn in jungen Jahren noch nicht klar ist, wohin die Profireise geht, bin ich der Meinung, dass man einen Plan B in der Tasche haben sollte. Ab einem gewissen Niveau kann man dann für sich entscheiden, alles in den Lebensabschnitt als Profisportler zu investieren. Aber eins kann ich mit meiner Erfahrung sagen: Egal, wie lange die aktive Karriere im Einzelfall genau dauert - sie bleibt ein vergleichsweise kurzer Lebensabschnitt. Da kommt ab Mitte 30 noch so viel mehr! Insofern bin ich heilfroh, dass ich schon während meiner aktiven Zeit für mein Leben die Entscheidung getroffen habe, dass ich mich unabhängig vom Profifußball machen möchte. Das hilft auch in einem möglichen Worst-Case-Szenario, wenn zum Beispiel eine Verletzung die Karriere abrupt beendet. 

Haben Sie einen persönlichen Mentor oder ein Vorbild?
Im Fußball nicht. Abseits des Platzes war mein Vater mein Vorbild, weil er aus wenig viel gemacht hat. Aus wenig viel machen ist im Prinzip auch die Geschichte meines Lebens (lacht)

Nun aber nicht zu viel Understatement, so ganz talentfrei schafft man es auch nicht in die Bundesliga …
… früh in meiner Karriere habe ich das tatsächlich ganz anders gesehen. Wenn ich damals nach links und rechts schaute, fand ich eigentlich jeden besser als mich. Es ist nicht immer ganz leicht, in jungen Jahren die eigene Leistung einzuordnen. 

Noch vor Ihrem ersten Profivertrag haben Sie als Spieler der zweiten Mannschaft des VfL Bochum Mitte der 2000er-Jahre Medizinische Informatik studiert und währenddessen ein Praktikum in der IT-Abteilung des Klubs absolviert. Was wären Sie eigentlich geworden, wenn es in der Saison 2009/10 nicht mit dem Profivertrag geklappt hätte?
Ich wäre mit Sicherheit in der Informatik gelandet. Ob ich dort zu den Besten gehört hätte, das wage ich zu bezweifeln. Aber es hat mir enorm viel Freude gemacht. Das war meine Bubble außerhalb des Fußballs. 

Nach dem jüngst beim Hamburger SV aus dem Präsidenten-Amt ausgeschiedenen Marcell Jansen (39) sind Sie nun der einzige U-40-Ex-Profi an der Spitze eines deutschen Profifußballklubs - und dann auch noch bei Ihrem Herzensklub, bei dem für Sie alles begann. Was soll danach überhaupt noch kommen?
Es gibt für mich keine größere und ehrenvollere Aufgabe, als die, die ich gerade ausführen darf - der Vorstandsvorsitz ist für mich die absolute Krönung. Es ist ja schon ein Unterschied, ob du dich bei einem Klub bewirbst und du dann in einem Auswahlverfahren aufgrund deiner Eignung eingestellt wirst, oder ob du von den stimmberechtigten Mitgliedern deines Herzensklubs gewählt wirst. Solange die Mitglieder mir und meinem Team das Vertrauen aussprechen, werde ich dieses Amt bekleiden. Und ich wüsste auch nichts, was mich danach noch in einem ähnlichen Maße reizen könnte. 

Stichwort sportpolitisches Interesse: Reizt es Sie nicht, eine neue völlig neue Generation der Fußballfunktionäre zu prägen?
Die Idee ist spannend. In der Bundesliga werden die Trainer und Manager immer jünger - die Gremien dahinter müssen es erst noch werden. Marcell hat ja vorgemacht, dass es möglich ist, ein solches Amt auch relativ jung erfolgreich auszufüllen. 

Sie sind im Wahlkampf im "Team Zukunft" angetreten, zu dem auch Hans-Peter Villis als neuer alter Aufsichtsratschef gehört. Der jahrelange Klub-Boss war erst Anfang des Jahres als Präsidiums- und Aufsichtsvorsitzender ausgeschieden, "weil das für eine konstruktive Zusammenarbeit unter seiner Führung notwendige gegenseitige Vertrauen nicht mehr gewährleistet" sei. Sie beurteilen die Dinge offensichtlich anders …
… und zwar fundamental anders! Ich habe mit allen Menschen, die in den Gremien des VfL Bochum eine relevante Rolle spielen, intensiv gesprochen. Natürlich sind das im Einzelnen immer subjektive Schilderungen und es ist unfassbar schwer, daraus ein großes Bild zu machen. Aber all die Gespräche haben mir das Gefühl gegeben, dass die Situation mit Hans-Peter Villis weitaus weniger dramatisch ist, als teilweise kolportiert wurde. Nach den Gesprächen mit ihm wusste ich dann, dass es nur einen Weg geben kann - und zwar einen gemeinsamen Weg, der obendrein Routenpunkte beinhaltet, wie sich sowohl das Präsidium als auch der Aufsichtsrat schrittweise verjüngen lassen. 

Heißt, ein Exitszenario für Hans-Peter Villis steht bereits fest?
Hans-Peter Villis hilft noch einmal, den Übergang zu gestalten und wird sich dann perspektivisch aus dem Gremium zurückziehen. Zu diesem Schritt war er auch relativ schnell bereit. Das hat mein ohnehin schon positives Gefühl untermauert. Hans-Peter Villis hat diesen Verein fast 14 Jahre geführt, große Wirtschaftsunternehmen geleitet und er hat mir auch zu keinem Zeitpunkt das Gefühl vermittelt, in irgendeiner Weise an seinem Stuhl zu kleben. Gleichzeitig macht er einen unheimlich fitten Eindruck auf mich und versprüht sehr viel Energie, den VfL Bochum nach vorne zu entwickeln. 

In Führungsgremien sollte idealtypisch das Wohl des Vereins an oberster Stelle stehen, in der Praxis geht es aber allzu oft auch um Machtansprüche einzelner Funktionäre. Sind Sie durch über 15 Jahre Mannschaftsleben auf Profiniveau ausreichend vorgeprägt oder haben Sie auch einen gewissen Respekt vor dem vereinspolitischen Parkett, auf das Sie sich nun begeben?
Unsere Devise im "Team Zukunft" lautet: Die beste Idee muss sich durchsetzen. Auf dem Weg dahin werden wir wohl nicht immer einer Meinung sein, es darf und muss auch mal kontrovers sein. Bei den erfolgreichsten Mannschaften, in denen ich gespielt habe, ging es inhaltlich in der Sache immer hoch her. Meine Liebe zum Diskurs mag anstrengend sein, aber ich sehe darin einen großen Mehrwert. Es ist einfach nicht immer alles rosarot. Doch bei aller eigener Meinung und Überzeugung: Ab einem gewissen Punkt in Diskussionen muss man in der Lage sein, die höhere Ebene zu sehen - auch, wenn sich die eigene Idee nicht durchsetzen lässt. Wer das nicht kann, ist in jedem Team oder Gremium dieser Welt fehl am Platz. 

Mit Ihrem "Team Zukunft" haben Sie eine sogenannte "Roadmap 2029" für die nun zunächst vierjährige Amtszeit entwickelt. Was steckt dahinter?
Die Roadmap 2029 ist unser internes Dokument, in dem wir Verbesserungsansätze auf Grundlage der Bewertung der aktuellen sportlichen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Lage gesammelt haben. Das ist ein Arbeitspapier, das auch von der Geschäftsführung und der Direktorenebene mit Leben gefüllt werden soll. Im Präsidium verstehen wir unsere Rolle hier als Ideengeber und Sparringspartner. Wir schreiben der Geschäftsführung also nicht vor, was sie zu tun und zu lassen hat. Das ist mir wichtig zu betonen. 

Welche Ideen haben Sie für den VfL?
Ein großes Thema ist Krisenstabilität. Der VfL Bochum muss aus meiner Sicht Lösungen für mehrere Szenarien in der Schublade haben, die in den nächsten Jahren eintreffen könnten. Es kann sein, dass wir direkt wieder aufsteigen. Es kann aber auch sein, dass wir in der 2. Liga bleiben, vielleicht sogar jahrelang, was den Etat extrem belasten würde. Und daran schließt sich die Frage an: Wie finanzieren wir unser Profigeschäft nachhaltig? 

Wie lautet Ihre Antwort?
Darauf gibt es nicht nur die eine Antwort. Der VfL Bochum setzt traditionell weniger auf Fremdkapital als andere Klubs. Das heißt, wir müssen innovativ sein und über andere Wege versuchen, unsere Einnahmen zu optimieren und mehr Freiheiten auf der Eigenkapitalseite zu generieren. Ich sehe beispielsweise, dass wir im Bereich der Transfererlöse dem Wettbewerb hinterherhinken. Da haben wir über die Jahre weniger eingenommen als viele Konkurrenten. 

Nach dem letzten Abstieg in der Saison 2009/10 spielte der VfL Bochum elf Jahre in der 2. Liga. Glauben Sie, dass es dieses Mal schneller wieder ins Oberhaus gehen kann?
Schwer zu sagen. 2021 haben wir den Aufstieg mit einem Mini-Etat von zwölf Millionen Euro hinbekommen, das ist eigentlich ein Wunder. Mit so einem Etat liegst du in der kommenden Saison im unteren Drittel der 2. Liga. Aus wenig viel machen, gilt also nicht nur für mich, sondern auch für den VfL Bochum. Der Klub hat das in der Vergangenheit zwar immer wieder geschafft, aber es ist jedes Mal ein Ritt auf der Rasierklinge. 

Sie haben im Wahlkampf unter anderem interne Kommunikationsprobleme zwischen Abteilungen angemahnt und klargemacht, dass Sie auf der Geschäftsstelle sowie in Prozessen viele Steine umdrehen wollen. Was haben Sie konkret vor?
Das liest sich härter als es gemeint ist. Alles, was wir wollen, ist eine selbstkritische Bestandsaufnahme, um gemeinsam mit der Geschäftsführung einen Plan für eine erfolgreiche Zukunft des VfL Bochum zu entwickeln. Ich sehe unseren klaren Auftrag von den Mitgliedern darin, Dinge in einem vernünftigen Rahmen zu hinterfragen, um eine vernünftige Informationsbasis für vernünftige Entscheidungen zu bekommen. Das heißt nicht, dass wir wahllos alles auf links drehen wollen. 

Hat ausgerechnet der spektakuläre Klassenerhalt 2024 über den Ernst der Lage beim VfL Bochum hinweggetäuscht?
Zu 100 Prozent. Aber man muss das auch einordnen. Letztlich waren wir in der Bundesliga immer auf Kante genäht. Unter den aktuellen Umständen ist jedes Bundesliga-Jahr für den VfL Bochum außergewöhnlich, das muss man ganz klar so sagen. Wenn man so möchte, war der VfL Bochum sportlich betrachtet also in den vergangenen Jahren eine einzige Erfolgsgeschichte. Aber ich sage auch, dass der jüngste Abstieg vermeidbar war. Die gesamte Liga war nicht so stark, wie in den Vorjahren. 

Letztlich haben sieben Punkte zum rettenden Ufer gefehlt.
Hätten wir Dieter Heckings Punkteschnitt theoretisch nur zwei bis drei Spieltage länger gezogen, wären wir nach unseren Analysen in der Lage gewesen, den Klassenerhalt zu schaffen. Das ist in der Retrospektive einerseits echt hart zu akzeptieren. Andererseits ist die 2. Bundesliga, gemessen an allen Parametern das Normalszenario des VfL. 

Das heißt, Sie sehen den VfL Bochum langfristig nicht als gestandenen Erstligisten?
Auf diese Frage haben wir im gesamten Gremium eine recht sportliche Perspektive. Im professionellen Sport willst du jedes Spiel gewinnen und den maximalen Erfolg in der höchsten Liga. Es gibt für mich im Profisport keine andere mögliche Aussage. Es gibt keinen Ersatz für Siege. Sie sind das Schönste im Fußball. Was ich damit sagen will: Es geht mir sehr um diese Haltung und weniger darum, ein konkretes sportliches Ziel auszurufen. Und ich bin sehr froh, dass das operativ verantwortliche Trio um Trainer Dieter Hecking und unsere beiden Geschäftsführer Dirk Dufner und Ilja Kaenzig das genauso sieht. 

Und wenn es doch erneut elf Jahre bis zum Wiederaufstieg dauert?
Dann hätte ich gemessen an den von mir formulierten Ansprüchen ein großes persönliches Problem damit. Unsere Haltung impliziert ja, dass wir es so schnell wie möglich wieder zurück in die Bundesliga schaffen wollen

Andere Klubs mit theoretisch ähnlichen Voraussetzungen wie der 1. FC Union Berlin, der 1. FSV Mainz 05 oder der SC Freiburg sind in den vergangenen Jahren am VfL vorbeigezogen und zu gestandenen Bundesligisten mit teilweise sogar internationalen Ausflügen gereift. Kann der VfL Bochum das auch schaffen?
Fakt ist: Alle drei Klubs waren mal mit dem VfL Bochum auf Augenhöhe und das ist noch gar nicht so lange her. Allen voran der SC Freiburg bewegt sich mittlerweile sportlich in anderen Sphären. Ich drehe es mal ins Positive: Dass Freiburg, Mainz und Union diese Entwicklung hingelegt haben und nun auf einem anderen Level sind, das ist im Kern etwas Gutes und dient uns als Beispiel, wie es gehen kann. Und dennoch müssen wir mit unserer Infrastruktur und unserem Standort unseren eigenen Weg finden. 

Ihr Kaufmännischer Geschäftsführer Ilja Kaenzig hat zuletzt im kicker-Interview eine mögliche Schuldenfreiheit vor 2030 in Aussicht gestellt. Ist das nach dem Abstieg immer noch realistisch?
Das Ziel wird natürlich sehr stark vom Abstieg beeinflusst. Der Abstieg wirft uns extrem zurück, das möchte ich in keiner Weise schönreden. Aber es ändert sich gleichzeitig überhaupt nichts an unserer grundsätzlichen Ausrichtung, sich der Schuldenfreiheit anzunähern und Fremdkapital nur in Maßen zu nutzen. 

Und wie steht es um die zuletzt in Bundesliga-Zeiten ausgerufene Umsatzzielmarke von 100 Millionen Euro?
Die Zahl ist plakativ, groß und wir haben sie noch nie erreicht. Allein deswegen reizt sie mich schon. Die Marke von 100 Millionen Euro finde ich positiv und sie dient weiterhin als Orientierung, ich würde also auch auf keinen Fall davon abweichen wollen. Ja, der Abstieg wirft uns zurück. Aber unsere Haltung, dass wir immer den maximalen sportlichen Erfolg haben wollen, wird uns irgendwann wieder in diese Richtung führen. Da bin ich mir sicher. 

Ist durch den Abstieg die bisher erfolglose Suche nach einem strategischen Investor auf Ihrer Agenda noch weiter nach oben gerutscht?
Die Notwendigkeit, geeignete Finanzierungsquellen zu finden, ist mehr denn je da, wir können nicht alles über gesteigerte Transfererlöse decken. Aber an unserer den Mitgliedern versprochenen klaren Haltung ändert das trotzdem nichts: Es muss passen und der VfL Bochum muss immer in allen Gremien und bei allen Entscheidungen die Oberhand behalten. 

Der FC St. Pauli und der FC Schalke 04 setzen auf das Modell der Genossenschaft, um neue Gelder einzutreiben. Ist das Konzept für den VfL Bochum ebenfalls interessant?
Ich kann die Notwendigkeit der beiden Klubs, bei der Finanzierung erfinderisch zu werden, sehr gut nachvollziehen. Wir denken ebenfalls über wirklich jede Möglichkeit der alternativen Finanzierung nach. Ich finde die Idee, die Fans mit einzubinden, sehr spannend. Aber ob die Idee der Genossenschaft zum VfL Bochum passt, weiß ich noch nicht. 

Ein letzter Themenschwenk: Sie gelten als jemand, der gern über den Tellerrand blickt und offen für neue Technologien und digitale Innovationen ist. Traditionsklubs wie der VfL Bochum stehen jedoch nicht unbedingt im Verdacht, in diesen Bereichen führend zu sein. Große Chance oder großes Konfliktpotenzial?
Konfliktpotenzial sehe ich überhaupt nicht. Um gewisse digitale Anpassungen kommt man auch als traditionsreicher Fußballklub in der Praxis einfach nicht mehr drumherum. Wir als Gremium sind jedenfalls nicht bereit, zuzulassen, dass der VfL Bochum irgendwann der digitale Nachzügler ist. Wir setzen uns deshalb gerade sehr intensiv damit auseinander, ob und wie wir digitale Bausteine so implementieren können, dass sie uns einige Prozentpunkte besser machen. Technologie kann unserer Wahrheit, aus wenig viel machen zu müssen, enorm helfen. Die realistische Perspektive ist doch die folgende: Bundesliga-Klubs werden in zehn Jahren in jeglicher Hinsicht sehr digital arbeiten. Wenn das ohnehin klar ist, dann setze ich mich lieber heute damit auseinander, als noch ein Jahr zu warten. 

Ausgerechnet Dieter Hecking antwortete neulich auf einer Pressekonferenz auf die Frage, wie häufig er künstliche Intelligenz im Trainingsalltag nutze, "0,0". Er verlasse sich lieber auf "Dieters Intelligenz" …
… da muss ich gleich einhaken. Neue Technologien wie künstliche Intelligenz, mit denen man noch nie gearbeitet hat, sind für die allermeisten erst mal gewöhnungsbedürftig. Davon kann sich niemand freimachen und das ist auch völlig normal. Wenn Technologien einen Mehrwert stiften, wird jeder aber nach und nach überzeugt. Das war mit dem Internet genauso wie mit dem Smartphone. Es ist deshalb auch für den VfL Bochum zwingend notwendig, sich mit diesen Themen zu beschäftigen und herauszufinden, wo Technologie den Menschen besser machen kann. Denn am Ende spielt der Mensch Fußball und ist der Mensch Trainer oder Vorstandsvorsitzender. 

Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie traditionell ist der VfL Bochum in Sachen Digitalisierung und Technologie aufgestellt?
Meiner ersten Einschätzung nach sind wir definitiv verbesserungswürdig unterwegs. Es ist nun unsere Aufgabe, gemeinsam Technologien zu finden, durch die Mitarbeiter Hilfestellung bei der Bewältigung ihrer täglichen Aufgaben bekommen. 

Wo kann Technologie wie künstliche Intelligenz dem VfL Bochum kurzfristig ganz konkret helfen?
Zum Beispiel in der Bewertung und Einordnung des eigenen Spielerkaders oder der Spielerauswahl sehe ich enormes Potenzial. Klubs wie der VfL Bochum werden mit ihrer Scouting-Abteilung niemals in der Lage sein, den gesamten Weltmarkt von A bis Z zu scannen. Aber es gibt noch so viel mehr Möglichkeiten. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Bereich des VfL Bochum durch den Einsatz von Technologie noch besser werden kann. Hier werden wir in den kommenden Jahren also ganz sicher investieren müssen. 

Lassen Sie uns ganz am Ende noch einmal zum Relegationsdrama 2024 zurückkommen. "Das ist nichts mehr für mein Herz" haben Sie damals nach Abpfiff gesagt. Demnach wollen Sie sicher auch als Funktionär die Relegation nach der kommenden Saison vermeiden, oder?
Wenn sie am Ende dazu führt, dass wir wieder in die Bundesliga aufsteigen, dann nehme ich vorher eine Beruhigungstablette und kriege das schon irgendwie hin. Ansonsten habe ich ja auch das Schicksal von Fortuna Düsseldorf im vergangenen Jahr hautnah miterlebt. Die haben eine fantastische Saison gespielt und waren auch im Hinspiel gegen uns so viel besser, um am Ende dann doch mit leeren Händen dazustehen. Das ist schon schwer auszuhalten. 

Um das zu vermeiden, müsste der VfL idealerweise auf Platz eins oder zwei ins Ziel einlaufen. Ist das realistisch?
Bevor ich nun doch noch ein konkretes tabellarisches Ziel ausgebe, wiederhole ich lieber unsere Haltung: Wir wollen in der 2. Bundesliga jedes Spiel gewinnen und so schnell wie möglich zurück in die Bundesliga. 

Quelle: Kicker.de
Tradition ist nicht die Aufbewahrung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers
" Der  VfL kommt von der Castroper Strasse, und hier soll er auch bleiben."
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