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Ist mit Viererkette alles besser?
#1
Beim VfL Bochum wird wieder einmal das System diskutiert. Viele Fans wünschen sich eine Rückkehr zur Viererkette und zum Flügelspiel. Was ist dran an der Systemkritik? 

Es hat schon etwas von Tradition: Seit einigen Jahren stellt sich jedes Mal im Sommer an der Castroper Straße die Systemfrage. Spielt der VfL Bochum besser mit Viererkette? Oder kann die Grundausrichtung mit der Dreierkette funktionieren? Wer auf der Straße in die Gespräche der Fans hineinhört, vernimmt schnell eine ablehnende Grundhaltung gegenüber einer Kette bestehend aus drei Innenverteidigern. „Das hat in Bochum noch nie funktioniert“, bekommt man in nahezu jedem Gespräch mit Anhängern der Bochumer zu hören. 

Es schwingt eine Menge schöner Erinnerungen in dieser Aussage mit, weil die Spielweise der erfolgreichen Zeit unter Thomas Reis noch immer in den Köpfen festsitzt. Es ist die Art von Fußball, die sie in Bochum schätzen: eine aggressive Verteidigung, ein schnelles Offensivspiel, ein zügiges, geradliniges Umschalten. Reis setzte konsequent auf eine Viererkette, meist auf ein 4-2-3-1, wahlweise auch mal ein 4-3-3, angeführt von einem echten Spielgestalter. 

Zulj und Stöger waren prägende Gestalter 
Diesen gab in der Aufstiegssaison 2020/21 auf geniale Art in der 2. Liga Robert Zulj. Im ersten Bundesliga-Jahr konnte Eduard Löwen die Zulj-Lücke nicht adäquat ersetzen, zählte im taktisch eher simplen Reis-Power-Fußball noch mehr das Kollektiv, das gemeinsame Arbeiten gegen den Ball und schnelle Umschaltspiel über die Außen. Zuletzt war, bis zu seinem Wechsel im Sommer 2024 zu Borussia Mönchengladbach, in der Bundesliga Kevin Stöger der kreative Kopf. Das Flügelspiel hatte oberste Priorität, mit Gerrit Holtmann etwa schon zu Zweitliga-Zeiten, später auch mit Takuma Asano, mit Christopher Antwi-Adjei in der Bundesliga.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass das Spiel zwar erfolgreich war, der VfL Bochum aber in der Bundesliga nur selten dominant auftrat. Es war eher das klassische Spiel eines Underdogs. In der 2. Liga indes beherrschte der VfL in der Aufstiegssaison zahlreiche Partien. 

Dreierkette schon unter Letsch nicht erfolgreich
Zwei der drei Folge-Trainer von Reis, Thomas Letsch und nun Dieter Hecking, hingegen haben eine andere Idee vom Fußball. Dazwischen scheiterte auch Peter Zeidler mit einer neuen Systematik. Er setzte zwar auf eine Viererkette, aber auch auf eine den VfL überfordernde Raute.

Indes wollte schon Letsch, wie Hecking, nach seiner ersten Sommervorbereitung beim VfL eine Dreierkette etablieren, dominanteren Fußball aus einer kompakten Defensive heraus spielen. Nachdem das Experiment in den ersten Wochen der Saison 2023/2024 gnadenlos gescheitert war, stellte der heutige Trainer von Red Bull Salzburg um, agierte wieder mit einer Viererkette und schnellen Außen. Und auch unter Hecking – so macht es den Anschein – funktioniert diese Systematik besser. 

Keine Durchschlagskraft: „Wir haben uns schwergetan“
Die Partie gegen Elversberg war jedenfalls Wasser auf die Mühlen der Dreierketten-Kritiker. „Wir haben uns schwergetan. Nach hinten haben wir nichts zugelassen, aber nach vorn konnten wir nur wenige Akzente setzen“, gab Torhüter Timo Horn unumwunden zu. Durch die frühe Gelb-Rote Karte gegen den ehemaligen Bochumer Jan Gyamerah veränderte sich früh die Statik des Spiels, Bochum konnte den ursprünglichen Matchplan nicht mehr umsetzen, weil die Räume im Zentrum von den Elversbergern stark verdichtet wurden. Statt ins „offene Messer“ zu rennen, wie es Hecking am Sonntag sagte, wollte er die „defensive Struktur“ nicht aufgeben. Die Null hinten stand - allerdings auch vorn. Kreativität, Tempo und Durchschlagskraft fehlten gänzlich. 

Horn: „Spielerisch um 180 Grad gedreht“
Schon in der Vorwoche am Böllenfalltor tat sich Bochum schwer, klare Torchancen herauszuspielen. Ein echter Spielmacher ist im Spielsystem und -stil von Hecking nicht vorgesehen. „Wir haben uns spielerisch um 180 Grad gedreht“, sagte Keeper Timo Horn kürzlich. „Das war auch dringend nötig, dass wir versuchen, von hinten heraus Fußball zu spielen.“ Vor allem Kevin Vogt soll als Gestalter aus der letzten Linie heraus die Kontrolle über den Spielaufbau übernehmen.

Doch: Erst nach einer Systemumstellung auf ein 4-3-3 und der Hereinnahme von Gerrit Holtmann und Koji Miyoshi änderte sich das Offensivspiel am vergangenen Sonntag, plötzlich wurde Bochum gefährlicher. „Wir haben die Flügel gestärkt, wollten Überzahlsituationen auf den Flügeln schaffen“, erklärte Hecking später. Mit Erfolg. Holtmann brach mehrfach durch, auch Leandro Morgalla, der als nun nomineller Rechtsverteidiger mehr nach vorn machen durfte, sorgte für Gefahr. Schnelles Flügelspiel – und es läuft wieder. Diese Kurzanalyse war mehrfach in Sozialen Netzwerken und Foren zu lesen – und auch nach dem Spiel auf und unter den Tribünen zu hören. 

Es wäre aber zu kurz gegriffen, sich einzig darauf zu beziehen. Auch in Darmstadt probierte es Hecking zunächst mit einer Viererkette, was zu viel zu großen Abständen und zwei Gegentoren in der ersten Halbzeit führte. „Wir haben wieder den Beweis bekommen, dass die Viererkette nicht so funktioniert“, sagte der 60-Jährige nach dem Zweitliga-Auftakt. „Wir wollten 4-4-2 gegen den Ball spielen, dadurch ist Ibrahima Sissoko nicht in der Rolle gewesen, in der wir ihn gewöhnlich haben.“ 

Personalwechsel und Systemänderung bringen Besserung
Am Sonntag gegen Elversberg war es wieder ein 5-3-2-System. Defensiv stand der VfL Bochum sicher, ließ - freilich in Überzahl - wenig bis nichts zu. Doch nach vorn schafften es die Bochumer wieder einmal nicht, die Außenspieler in Situationen zu bringen, in denen sie hätten durchbrechen können. Weder Maximilian Wittek noch Kacper Koscierski konnten sich nachhaltig in der gegnerischen Hälfte beweisen. Erst nach dem System- und Personalwechsel zur Pause wurde es besser.

Hecking betont seit Beginn der Vorbereitung, dass er variabel in seiner Systematik bleiben will. „Wir können immer darüber diskutieren, ob eine Dreier- oder Viererkette besser ist“, sagte er. „Am Ende aber werde ich das machen, wovon ich überzeugt bin, dass es das Beste für die Mannschaft ist. Wichtig ist, dass wir am Ende Spiele gewinnen.“ Entsprechend gibt ihm die Partie gegen Elversberg recht. 

Quelle: WAZ.de
Tradition ist nicht die Aufbewahrung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers
" Der  VfL kommt von der Castroper Strasse, und hier soll er auch bleiben."
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