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Uwe Rösler ist mehr als Emotion
#1
Uwe Rösler begeistert beim VfL Bochum. Als Typ. Und sportlich. Er hat die Blauäugigkeit der Vorgänger korrigiert, meint unser Kolumnist Michael Eckardt: eine Analyse. 

Vier Spiele, drei Siege, ein Unentschieden – Uwe Rösler kam, sah, siegte und begeisterte. Der neue Trainer des VfL Bochum, der offenbar keinerlei Angst davor hatte, einem abgestürzten und ziemlich desolaten (Schein-)Riesen neues Leben einzuhauchen, ist derzeit in aller Munde. Man spricht von seiner Dynamik, seiner offenen Kommunikation und seinen Emotionen, die positiv in die kürzlich noch zutiefst verunsicherte Mannschaft hinein wirken. Das ist sicherlich gut und richtig so, aber was hat Uwe Rösler eigentlich inhaltlich verändert beim VfL

Ausgangspunkt war sicherlich Röslers treffende Analyse: Er hat schnell erkannt, dass seine neue Mannschaft in der aktuellen personellen Konstellation weder mit einer Dreier-Abwehrkette den Erfolg anstreben, noch den vor Saisonbeginn als unbedingtes Muss verordneten, dominanten Ballbesitzfußball, koste es was es wolle, auf den Rasen zaubern sollte. Stabilität und Kompaktheit waren dagegen dringend nötig, die Flut an Gegentoren galt es einzudämmen. 

VfL Bochum handelte im Sommer blauäugig, fahrlässig
Ein Höchstmaß an Blauäugigkeit, zumindest aber Fahrlässigkeit hatte im Sommer zu der Annahme geführt, man könne sich nach dem als Ausrutscher empfundenen Abstieg quasi über Nacht neu erfinden und mit Neuzugängen in Bataillonsstärke, von denen einige sich erst einmal an den physisch herausfordernden Zweitligafußball gewöhnen mussten, alles in Grund und Boden spielen.

Übersehen wurde dabei zum Beispiel, dass mit Ausnahme von Leandro Morgalla kein einziger der Innen- und bereits etablierten Außenverteidiger, die ja schon geraume Zeit vorher in Verkennung der Realität als Schienenspieler bezeichnet wurden, über ein überzeugendes Tempo verfügt. 

Viererkette hilft auch einem Routinier wie Wittek
Röslers Entscheidung zur Viererkette zurückzukehren, stellte die Abwehr sofort breiter auf, und plötzlich sieht auch ein Routinier wie Maximilian Wittek wieder besser aus. Jedenfalls rennt er den gegnerischen Außenangreifern nicht mehr – von der Mittellinie aus – verzweifelt hinterher.

Abstände zwischen Mannschaftsteilen verbessert
Punkt zwei in Röslers Analyse, eigentlich eine Selbstverständlichkeit für alle Trainer: Die Abstände zwischen den Spielern und zwischen den Mannschaftsteilen müssen stimmen. Davon profitieren jetzt die Innenverteidiger, zum Beispiel Noah Loosli, der einen richtig guten Eindruck macht, wenn seine Gegenspieler nicht unendlich viel Platz haben. Um die Viererkette mit ihren Tempoproblemen zu stabilisieren, verzichtet der VfL nämlich nun auf ein generell hohes Pressing. Man überlässt damit dem Kontrahenten im Idealfall zwar oft den Ball, aber keinen Raum für Tiefenläufe. Und damit haben es auch Loosli und seine Nebenleute leichter.

Soll sich der Gegner doch einen Wolf spielen knapp vor und hinter der Mittellinie, am besten so lange, bis er einen vielleicht entscheidenden Fehler macht. Macht er den schließlich, wie zuletzt Magdeburg, dann verfügen die Bochumer ihrerseits über genügend Tempo in der Offensive, um den vorhandenen Raum für sich zu nutzen. Es ist von der Idee her sicher eine simple Form des Fußballs, bedarf aber einer enormen Intensität, Disziplin und Aufmerksamkeit. 

Das Mittelfeld muss viel arbeiten
Das Mittelfeld muss nämlich dabei arbeiten bis die Schwarte kracht, denn der Weg nach vorne ist bei dieser konzeptionellen Herangehensweise oft extrem weit. Aber die Jungs können das und tun es gerne, wenn es Erfolg verspricht. Jungs darf man sagen, weil das Herzstück dieser Mannschaft komplett erst am Beginn der Karriere steht.

Und was hat Uwe Rösler mit diesen Jungs gemacht? Er vertraut ihnen, weil er merkt, dass sie schnell lernen, Qualität und vor allem jede Menge Energie mitbringen. Im Gegenzug werden sie, von altersbedingten Schwankungen abgesehen, von Woche zu Woche mutiger und besser. 

Mats Pannewig zahlt das Vertrauen zurück
So spielt Mats Pannewig jetzt auf dem hohen Niveau, das sich die Verantwortlichen von ihm vor Saisonbeginn erhofft hatten. Pannewig, gerade 21 geworden, war sowohl beim Pokalsieg in Augsburg als auch beim 2:0 gegen Magdeburg nach Opta-Daten aktivster und erfolgreichster Zweikämpfer auf dem Platz, legte zuletzt im Heimspiel auch mit mehr als 12 Kilometern die beste Laufleistung hin.

Kjell Wätjen kommt ebenfalls immer besser zur Geltung, weil er nun etwas weiter innen spielen darf und nicht mehr auf dem Flügel, wo er nicht so gut aufgehoben war. Auch eine gute Entscheidung Röslers. Wätjens erster, sehr clever erarbeiteter und cool vollendeter Zweitligatreffer wird dem 19-Jährigen sicher noch mehr Rückenwind verleihen. 

Holtmann und Alfa-Ruprecht mit mehr Freiraum
Rösler legt großen Wert darauf, das Zentrum zu verriegeln. Cajetan Lenz (19), in Vertretung des verletzten Ibrahima Sissoko als Sechser vor der Abwehr die große positive Überraschung des ersten Saisondrittels, wird dabei von Pannewig, gelegentlich auch von Wätjen flankiert. Was bedeutet, dass Gerrit Holtmann, der gottlob allmählich zum Goalgetter avanciert, und Farid Alfa-Ruprecht (19), ein weiterer Jungspund, der stetig sicherer wird, zwar auch defensiv arbeiten müssen, in der Offensive auf den Flügeln aber oft erstaunlich viel freien Rasen vor sich haben, um ihre läuferischen Stärken auszuspielen. 

Dass Francis Onyeka, der trotz seiner erst 18 Lenze gleich auf mehreren Positionen eine gute Figur abgibt, immer häufiger als zentraler Stürmer aufläuft, bedeutet nicht nur, dass dann einerseits ein körperlich imposanter Zielspieler fehlt, sondern andererseits auch, dass beim VfL zunehmend flach und schnell nach vorne gespielt wird. 

Nur drei Gegentore in vier Partien unter VfL Bochums Trainer Rösler
Defensiv wie offensiv ist der bisherige Erfolg unter Uwe Rösler quantifizierbar. Schaut man auf die Gegentore in den vier Rösler-Spielen, kommt man auf diese Summe: 3. Interessant ist dabei der Trend: 2 (Hertha), 1 (Kiel), 0 (Augsburg), 0 (Magdeburg). Da ist zugegebenermaßen eine gehörige Prise Glück und ein vortrefflicher Schlussmann Timo Horn dabei, aber das allein ist keine hinreichende Erklärung.

Und die Zahlen sprechen eindeutig für eine positive Entwicklung. Den drei Gegentoren stehen außerdem sieben eigene Treffer gegenüber. Selbst in Sachen Verwarnungen, seit geraumer Zeit ein eher unangenehmes Thema beim VfL, scheint es nun Fortschritte zu geben. Beim Erfolg gegen Magdeburg sahen nur noch zwei Bochumer Gelb. Fast könnte man sagen: ungewohnt und überraschend. 

Ganz ohne Altmeister wird es nicht gehen
Schön wäre es, wenn man in diesen Tönen etwa über eine Serie von acht, neun Spielen sprechen könnte. Doch soweit ist es noch nicht, der extrem miserable Saisonauftakt wird den VfL weiterhin beschäftigen. Mit jedem weiteren Erfolg wächst das Selbstbewusstsein, aber auch der Respekt der kommenden Gegner. Uwe Rösler hat das getan, was er in der immer noch schwierigen Situation für richtig hielt. Der Erfolg gibt ihm absolut recht.

Er wird sicher je nach Gegner Nuancen verändern, die Ballbesitzphasen verlängern und auch wieder auf die Altmeister im Team bauen wollen und müssen. Ohne sie wird es wohl nicht gehen. Aber sie werden schon ihr Bestes geben müssen, um regelmäßig spielen zu können. 

Quelle: WAZ.de
Tradition ist nicht die Aufbewahrung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers
" Der  VfL kommt von der Castroper Strasse, und hier soll er auch bleiben."
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