Die DFB-Elf hat eine bis Montagabend quälende WM-Qualifikation mit einer 6:0-Gala beendet und zum ersten Mal das getan, was Julian Nagelsmann zum Ziel erklärt hatte. Dafür haben die Mannschaft und der Bundestrainer nach viel Kritik dieses Mal Komplimente verdient. Ein Kommentar von kicker-Reporter Sebastian Wolff.
Das Beste kommt zum Schluss. Frei nach dieser Weisheit ist die deutsche Elf gegen die Slowakei von der ersten Minute an so aufgetreten, wie es sich ihr Coach von Beginn an in dieser Qualifikation gewünscht hatte. Nagelsmann wollte in dieser, mit Gegnern aus den allenfalls mittleren Regalen des europäischen Fußballs, nicht zwingend Kantersiege in Serie, aber souveräne Auftritte - in Leipzig bekam er beides.
Nagelsmanns gutes Gespür im Umgang mit Sané und der Gruppe
Drei Tage lagen zwischen dem Auftritt in Luxemburg, der wenig bis keine Fantasie für eine auch nur halbwegs erfolgreiche Weltmeisterschaft ließ, und einem Vortrag, der zumindest andeutet, was möglich sein kann, wenn wankelmütige Hochbegabte an ihre Grenzen kommen. Offensichtlich ist zudem, dass Nagelsmann während dieses Lehrgangs die richtigen Worte gewählt und Knöpfe gedrückt hat. Und zwar sowohl im Umgang mit Einzelnen als auch mit der gesamten Gruppe.
Leroy Sané hatte der Bundestrainer bei diesem Lehrgang beinahe wie einen ungebetenen Partygast begrüßt, damit eine öffentliche Debatte losgetreten, wie viel Druck im Vorfeld gut sein kann, und er darf zufrieden konstatieren, die richtigen Mittel gewählt zu haben: Der Galatasaray-Profi war an beiden Treffern am Freitag beteiligt, erzielte gegen die Slowaken einen Doppelpack und bestach vor allem auch durch beherzte Arbeit gegen den Ball. Dieser Sané, so viel ist sicher, darf wiederkommen und ist auch bei der geplanten nächsten großen Party, der WM im Sommer, ein gern gesehener Gast - wenn das im November Gezeigte die Benchmark ist.
Auch Nagelsmanns Umgang mit der gesamten Gruppe erwies sich als ausgewogen. Schon in der Halbzeit von Luxemburg, hatte er verraten, erschien ihm "Draufhauen" nicht als das richtige Stilmittel; er erhöhte auch in den Tagen von Leipzig nicht den Druck, sondern erinnerte die Seinen an den Weg, den sie gemeinsam seit dem November 2023 beschritten hatten. Damals, nach einem 0:2 in Österreich, hatte sich die DFB-Elf an einem Tiefpunkt unter diesem Bundestrainer befunden, und die jüngsten Vorträge hatten zumindest Befürchtungen geweckt, exakt zwei Jahre später könnte sie auf einen neuerlichen Tiefpunkt zusteuern.
Tatsächlich und nachhaltig ein Wendemanöver?
Stattdessen gelang an einer wichtigen Weggabelung am Montagabend von Leipzig das Abbiegen auf den Weg Richtung USA, Mexiko und Kanada. Ob daraus tatsächlich und nachhaltig ein Wendemanöver wird, lässt sich allein aus dem Erfolg gegen die Slowakei noch nicht ableiten. Die Tatsache, dass diese Mannschaft unter Druck ihre beste Leistung in dieser Qualifikation abgeliefert hat, ist ebenso ein Hoffnungsschimmer wie die Personalsituation.
In Leipzig wurde deutlich, wie wichtig der Wiedereinbau der zuvor angeschlagenen Nico Schlotterbeck und Joshua Kimmich war; bei der nächsten Länderspielperiode im März werden mit Antonio Rüdiger, Jamal Musiala und Kai Havertz weitere Unterschiedsspieler und Eckpfeiler zurück sein. Dazu ist das Comeback von Marc-André ter Stegen erwartbar, obwohl Oliver Baumann als einer der wenigen deutschen Spieler in der gesamten Qualifikation restlos überzeugte und demonstrierte: Im Tor hat Deutschland keine Baustelle.
Der Montagabend von Leipzig hat nicht die komplette Welt verändert, er hat aber (endlich) wieder Hinweise geliefert, dass diese Mannschaft doch besser spielen kann, als sie es über weite Strecken in diesem Kalenderjahr getan hat.
Quelle: Kicker.de