Seit über 100 Jahren - VfL kickt „anne Castroper“
Am 14. August 1971 bestritt unser VfL sein erstes Bundesligaspiel an der Castroper Straße, acht Jahre später folgte die Premiere im neu erbauten Ruhrstadion. Doch die blau-weißen Wurzeln „anne Castroper“ reichen bis weit vor 1979 zurück.
So eine traditionsreiche Heimstätte hat die Revierkonkurrenz nicht zu bieten: Während Borussia Dortmund und Schalke 04 im Laufe ihrer Geschichte ihre ursprüngliche Heimat verließen und sich an anderer Stelle neue Spielstätten errichteten, kickt unser Verein seit mittlerweile fast einem Jahrhundert am selben Standort: der Castroper Straße.
Die Fußballgeschichte rund ums heutige Vonovia Ruhrstadion begann weit bevor an den VfL in seiner heutigen Form überhaupt zu denken war. Anfang des 20. Jahrhunderts war unser Verein noch in mehrere Klubs aufgesplittet. Einer davon, der in Blau-Weiß auflaufende Spiel und Sport Bochum (SuS), pachtete 1911 eine Wiese vom Bochumer Bauern Dieckmann an der Castroper Straße.
Hier, weit vor den Toren der Stadt, glaubte man in Ruhe dem Fußballspiel frönen zu können; Bochum war zu diesem Zeitpunkt noch nicht weit über den heutigen Stadtring hinausgewachsen. Damit bot der Standort die Möglichkeit zu schnellen Expansionen: Innerhalb weniger Jahre verwandelte sich der Bretterzaun-Platz, der am 8. Oktober 1911 vor 500 Anhängern gegen den VfB Hamm offiziell eröffnet wurde, nach dem 1. Weltkrieg in ein rund 50.000 Zuschauer fassendes Stadion. Ermöglicht hatten dies die Mitglieder selbst, die den Arena-Bau mit Anteilsscheinen finanzierten.
Das Bochumer Stadion war damit Anfang der 20er-Jahre zu einer der modernsten und größten Arenen Deutschlands geworden. Ein Faktum, an dem auch der DFB schließlich nicht mehr vorbeikommen sollte. Im Jahr 1922 verlegte er das ursprünglich für Hamburg vorgesehene Länderspiel gegen Ungarn nach Bochum. Erst zum zweiten Mal überhaupt wurde damit eine Partie der DFB-Auswahl im Ruhrgebiet ausgetragen.
So kannte die Begeisterung keine Grenzen, als sich Deutschlands und Ungarns Nationalelf 32 Jahre vor dem „Wunder von Bern“ am 2. Juli 1922 an der Castroper Straße gegenüberstanden. Über 40.000 Zuschauer waren trotz heftiger Regenschauer bereits mittags vor die Stadttore gepilgert, um sich einen günstigen Stehplatz für das am späten Nachmittag angepfiffene Spiel zu sichern.
Auch wenn das folgende 0:0 sportlich enttäuschte, waren die Bochumer stolz auf ihre Gastgeberrolle. Zufrieden resümierte die „FuL“, das offizielle Organ des Westdeutschen Fußballverbands: „Von der Erinnerung an dieses Spiel wird man in Bochum und im Industriewesten noch lange zehren.“
Und tatsächlich: Dank des Länderspiels wurde das Revier wohl das erste Mal reichsweit als kommende Fußballmacht wahrgenommen. Aus Bochumer Sicht half dies freilich wenig: Inflation, Ruhrbesetzung und innere Streitigkeiten setzten dem Bochumer Fußball stark zu, so dass Verein und Stadion in den 20ern in eine ernst zu nehmende Krise schlitterten.
Der Standortvorteil war schnell dahin. Und so dauerte es sage und schreibe 60 Jahre, bis der DFB Ende 1981 das nächste A-Länderspiel in Bochum ausrichtete. Fußballerische Glanzpunkte setzten an der Castroper Straße in den 30er-Jahren eher die Stars von Schalke 04, die hier einige Vorrundenspiele um die deutsche Meisterschaft bestritten.
Der Bochumer Fußball setzte erst nach dem 2. Weltkrieg wieder zum Aufschwung an. Inzwischen war aus den drei Vereinen Germania 06, TV Bochum 48 und TuS Bochum der VfL Bochum 1848 hervorgegangen und das Stadion in städtischen Besitz übergegangen. Der neue Inhaber sorgte in den 50er-Jahren für den Bau einer neuen Sitzplatztribüne und gab dem Verein mit dem „Stadion an der Castroper Straße“ ein festes Zuhause. Der VfL etablierte sich, bis auch diese Spielstätte in den 70er-Jahren für die Anforderungen des Bundesliga-Alltags zu klein wurde.